Wachsen

Wachsen
1. Das eine wächst, das andere fällt.
Schwed.: Det ena wäxer til, det andra faller af. (Grubb, 27.)
2. Es Wachsen nicht alle tag Leut, die wohl regieren vnd wol lehren.Lehmann, 674, 178.
3. Es wachsen nicht alle Tage Bäume gerade.
4. Es wächst auch im Garten, was der Gärtner nicht säet.
Frz.: Il croit au jardin chose que le jardinier n'y seme pas. (Kritzinger, 192b.)
5. He wasst den Dôd in de Möt (entgegen), se(de) de Dokter, as Jan de Swindsucht had(de). Frommann, VI, 282, 673.
6. Ich bin nicht für alle gewachsen, sagte die Kirsche.
Lat.: Non omnibus dormio. (Sutor, 885.)
7. Im wachsen vnd zunemen nemen wir ab. Franck, I, 159b; Lehmann, II, 288, 44.
8. Je mehr sie wachsen, je schwärzer werden sie, sagte die Krähe, als man sie nach ihren Jungen fragte.
9. Lang g'wachse und kurz bliebe. (Schwaben.)
10. Rasch gewachsen, schnell verblüht.
11. Wachse, lieg' und grüne, damit ich was verdiene. (Thüringen.)
12. Wachse, lieg' und grune, hast weiter nichts zu thune. (Thüringen.)
Beim Legen und Pflanzen von Feldfrüchten, besonders der Kartoffeln u.s.w. Ebenso das vorhergehende.
13. Wan ik sal wassen, sied de Hâwer, dann mauste (musst du) mi gued krassen1. (Hemer in der Grafschaft Mark.) – Frommann, III, 256, 41.
1) Kratzen, den Boden gut bearbeiten, gut eineggen.
14. Was bald wächst, verdirbt wieder den andern Tag.
Frz.: Ce qui croit soudain perit le lendemain. (Kritzinger, 192b.)
15. Was bald wechst, das verdorret auch leichtlich.Petri, II, 587.
16. Was langsam wächst, haltet lang. (Aargau.) – Schweiz, II, 184, 23.
17. Was wächst macht keinen Lärm.Bohemia, 1872, Nr. 84.
18. Was zu hoch wächst, muss man stumpfen.
19. Wer zu wachsen noch nicht aufgehört hat, muss grosse Leute nicht schelten.
Nicht zu voreilig, mit dem Urtheil, du weisst nicht, wie dir's selber noch ergehen kann.
20. Wie man wächst, so wird man schlimmer.
It.: Mal cresce, chi non peggiora.
*21. Dai wässet as rêipe Giärste1. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 90, 211; für Mecklenburg: Schiller, III, 31b; Frommann, V, 164, 176; Schlingmann, 1428.
1) Nämlich zur Erde, zur Ernte, zum Tode.
*22. Du wächst wie die Morchel im meyen.
»Gemelte schwemme verwelken unnd verdorren im meyen, werden affter der Zeit im ganzen jar nit mehr gesehen. Dannen her ein sprichwort auffkommen: Du wechst und nimmest zu, wie die morchel im meyen.« (Beck, Kräuterbuch, 346a; Germania, XVI, 86.)
*23. Er ist gewachsen wie a Schlingeles. (Böhmen.)
Also nicht besonders kerzengerade.
*24. Er wächst dir über den Kopf.
*25. Er wächst hinter sich wie ein Schürstecken.
Lat.: Hic juvenis crescit velut hoc quod crescere nescit. (Seybold, 215.) – Pistillum crescit. (Binder II, 2581; Eiselein, 557.)
*26. Er wachst i d' Schöni (Hübsche) wie en junge-n Esel.Sutermeister, 57.
*27. Er wächst mit der reifen Gerste um die Wette.Frischbier2, 3951.
*28. Er wächst nach unten wie ein Kuhschwanz.
Wenn jemand gefragt wird, warum er stehen bleibe, und sich nicht setze, hört man oft die Redensart: Ich will noch wachsen, worauf entgegnet zu werden pflegt: Ja, nach unten u.s.w. Oder, wenn von der geringen Grösse jemands gesprochen wird, und ein anderer etwa sagt: Er kann ja noch wachsen, dann, um zu sagen, dass dazu nicht mehr Aussicht sei, wie in der obigen Redensart.
*29. Er wachst nidsi wie en Chüeschwanz.Sutermeister, 57.
*30. Er wächst wie die Frucht im Miste.
*31. Er wächst wie ein Eselsohr in eim Neglinhafen, je länger, je närrischer.Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 263.
*32. Er wächst wie ein junger Hund.
*33. Er wächst wie ein Kohlstrunk, dem der Poll (Wipfel, Spitze, Kopf) ab ist.
Also gar nicht. In Podolien sagt man, um in verneinender Form (ironisch) das Nichtwachsen auszudrücken: Es wächst wie Karp's Burd.
*34. Er wächst wie ein Pilz. (Mockrau bei Graudenz.)
*35. Er wächst wie eine Nuss in der Kiste.
Nüsse schrumpfen in der Kiste ein.
*36. Er wächst wie eine Rübe in die Ründe.
Verkümmertes, knirpsartiges Wachsthum. »Wass mag aber die Vrsach sein, dass ihr also wachset, wie ein Nuss in der Kiste, oder wie ein Rub in die Ründe? Ohne zweiffel diese, dass jhr auff den Heuwagen nit genug Mist ladet, euch am Futer zu viel abbrechet.« (Mangelhafte Ernährung infolge dürftiger Ernten und diese wegen schlechter Feldwirthschaft.)
*37. Er wachst wie en Chalberschwanz in Bode-n ine.Sutermeister, 57.
*38. Er wachst wie en Rübeschwanz.Sutermeister, 57.
*39. Er wächst wie Hopfen an der Stange.
D.i. krumm.
*40. Er (es) wächst wie wenn Buchweizenteig auf Hefen sauer wird.
*41. Er wächst wie's Rohr im Weiher.
*42. Er wächst zur Erde wie 'ne Zwiebel.
*43. Er wechst wie reiffe gersten.Franck, II, 71b; Tappius, 84b; Henisch, 1640, 5; Eiselein, 227; Simrock, 3453; Körte, 6384; Sailer, 106; Braun, I, 4860.
Der Witz des Sprichworts verneint oft durch Bejahung. Bei Tunnicius (584): He wesset als de rype gerste. (Ut matura seges viridi, sic crescit, in agro.)
Holl.: Hi wast als die ripe garst. (Tunn., 15, 17; Harrebomée, I, 231.)
Lat.: Cochleare crescit. (Tappius, 84b; Henisch, 1640, 6.) – Hic crescit ut maturum hordeum. (Bebel.) – Hic homo decrescit velut hoc quod crescere nescit. ( Fallersleben, 409.)
*44. Es wächst ihm alle Augenblicke ein anderer Kopf.
Dem Veränderlichen.
*45. Es wächst ihm in seinem Garten.
*46. Es wächst nicht alles in Einem Lande.
*47. Es wächst nicht so viel Laub und Gras, als jetzt regieret Neid und Hass.
*48. Es wachst wie auf Hejwen. (Warschau.)
Es geht auf, als wenn es auf Hefen stände. Von Menschen und Dingen, die in die Höhe schiessen wie der Teig im gärenden Zustande.
*49. Es wächst wie ein Schneeballen.Schottel, 1115a.
*50. Es wachst wie Pokrschiwe1. (Jüd.-deutsch.)
1) Polnisch pokrzywa = Brennnessel. – In Warschau in dem Sinne: Unkraut verdirbt nicht.
*51. Gewachsen sein wiera Fälwastock1. (Oberösterreich.) – Baumgarten, 151.
1) Weidenstock oder -Stamm. Die Weide heisst in Oberösterreich auch Fälwa, Fälbara, Felber. – Scherzhafte Umschreibung eines schlechten Wuchses. Die Weiden- oder Felbastöcke sind nämlich meist gespalten und zerrissen, weil sich nach dem Volksglauben Judas an einem solchen Stock erhängt hat. (Vgl. Baumgarten Progr., 16.)
*52. Gewachsen wie ein Pfund Taback. (Hannover.) – A. Baudissin, Schlesw.-holstein. Soldatengesch.
Jedenfalls ist damit Rollentaback gemeint; also krumm.
*53. Gewachsen wie eine Tanne.
In Otto von Horn's Erzählung Die böse Frau von Fürstenberg kommt eine Anzahl sprichwörtlicher Vergleichungen nacheinander vor: »Das ist ein Mädel! Ist's nicht gewachsen wie eine Tanne und geht so leicht als wär's ein Püppchen! Hat's nicht ein Gesichtchen wie Milch und Blut, und blaue Augen wie Violen im März, und Haare wie Flachs! Und fleissig ist's wie eine Ameise, und die Arbeit geht ihm von der Hand, dass es ein Plaisir ist, ihm zuzusehen, und tanzen kann's wie ein Topf!«
*54. Hä wass't met 'n Kopp dörch de Hoar. Schlingmann, 632.
Wird kahlköpfig.
*55. Hai wässet as en Kaustiärt (Kuhschwanz). (Iserlohn.) – Firmenich, III, 188, 107; Woeste, 90, 207; Frommann, V, 164, 176.
Nämlich nach der Erde zu.
*56. He wasst nâ' de Grunt (Boden) as 'n Kôstêrt; (Ostfries.) – Bueren, 702; Frommann, VI, 282, 672; Weserzeitung, 4057.
Beim Krummwerden vor Alter.
*57. Se wasst den Dodt in de Möte1. (Oldenburg.) – Goldschmidt, II, 157.
1) Entgegen. – Von jugendlich schwächlichen Personen, die ungewöhnlich schnell wachsen.
*58. Sie ist gewachsen wie ein Waldhorn. (Salzburg.)
*59. Wuchsen wie a Hôler.Schöpf, 273.
D.i. schnell, üppig.
[Zusätze und Ergänzungen]
60. Wachse, artz, wachse.Mathesius, Sarepta, XXXIIIIb.
»Ist ein gemein Sprichwort bei Bergleuten, ob man schon nicht nasse Flüsse zusetzt, welches böser Bergleut sprichwort und böser brauch ist.«
61. Wer da wächst, braucht das Sechsfache.

Deutsches Sprichwörter-Lexikon . 2015.

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